KyteLabs InfoBase - Electron Tubes & Valves Data Last modified: 2021-06-03 (20301)

BGeschichte der Röhrenentwicklung und Grundlagen

B.7 Amerikanische Röhrenhersteller - Geschichte und Produktentwicklung

B.7.1 Tung-Sol Electric Inc.[EN]

Tung-Sol 5881

Die 5881, eine neue Bündeltetrode

(von C.E. Atkins, Vertriebsingenieur bei den Tung-Sol Röhrenwerken)

  LEISTUNGSENDRÖHREN werden oft grob behandelt. Im Bestreben, eine möglichst hohe Ausgangs­leistung zu erzielen, betreiben Verstärkerkonstrukteure die Endröhren häufig nahe den zulässigen Grenzwerten, und manchmal auch darüber. Dies hat sich besonders im Fall der 6L6 und ihrer Varian­ten mit Glaskolben, den 6L6G und 6L6GA, herausgestellt. Als Ergebnis sind all zu häufig Ausfälle zu verzeichnen, besonders beim Einsatz in Dauerbetrieb. Manche dieser Röhren haben sich bemerkens­wert tapfer geschlagen, doch unterscheiden sich verschiedene Produktionslose des gleichen Röhren­typs oft erheblich, wenn spezielle Eigenschaften unter Randbedingungen ausgenutzt werden sollen oder auf die Stabilität gewisser Parameter unter extremen Bedingungen vertraut werden muss.

Ausfälle von Leistungsröhren werden normalerweise durch Gas (Verschlechterung des Vakuums) in der Röhre verursacht. Die Anwesenheit von Gas in der Röhre führt zum Ionenbeschuss der Katode, deren Emission dadurch unwiderruflich zerstört wird. Probleme mit Gas sind insofern kumulativ, dass schon geringe Mengen Gas einen Gitterstrom verursachen, der den Arbeitspunkt in Richtung steigen­den Anodenstroms verändert. Der höhere Anodenstrom produziert noch mehr Gasionen und damit mehr Gitterstrom, eine weitere Verschiebung des Arbeitspunktes und schliesslich ein fortgesetztes Hochlaufen des Anodenstroms ("Durchgehen" der Röhre). Weiterhin bewirkt der erhöhte Anoden­strom eine verstärkte Aufheizung der Röhrenelektroden, die daraufhin zusätzliche Gasmengen frei­setzen können.

Auch wenn Gas häufig die letzte Ursache für die Zerstörung der Katode ist, muss es nicht der ur­sprüngliche Missetäter sein. Bei allen Röhren kann Gas freigesetzt werden, wenn sie nur ausreichend aufgeheizt werden. Es gibt immer zumindest winzige Spuren von Sauerstoff, Stickstoff, Kohlendioxid und anderen Gasen in den Röhrenbestandteilen sowie im Glas- oder Metallkolben. Der Grad ihrer Entfernung während des Herstellungsprozesses ist eine relative Angelegenheit und von der Tempe­ratur und Dauer des "Ausbackens" (Entgasens) und Elektronenbeschusses abhängig. Wenn sich eine Röhre im Betrieb dieser Temperatur annähert, wird sie wahrscheinlich Gas freisetzen. Schliess­lich hängt die Elektroden- und Kolbentemperatur davon ab, wie stark die von der Röhre abverlangte Belastung in der Anwendung ausfällt. Wenn eine Leistungsröhre mit ihren Grenzwerten betrieben wird, kann die Verlustleistung durch verschiedenerlei ungewollte Ereignisse über den als normal und sicher betrachteten Wert getrieben werden. Gar nicht ungewöhnlich in Leistungsverstärkern sind z.B. parasitäre Schwingungen und es gibt Grund zur Annahme, dass für ihr Auftreten die Art der Röhren­konstruktion eine Rolle spielt. Natürlich wird Gitteremission den gleichen tödlichen Kreislauf, wie im Fall von Restgas beschrieben, einleiten. Speziell in Leistungsröhren ist das Gitter für thermionische Elektronenemission anfällig. Wie im Fall von Gas, verschiebt der daraus entstehende Gitterstrom den Arbeitspunkt, wobei oft der Anodenstrom steigt und die Röhre überlastet wird. Schliesslich wird in beiden Fällen, Gitterstrom durch Gas oder Gitteremission, das Eingangssignal verzerrt, was ebenfalls unerwünscht ist.

Der Ausfall der Katodenemission wird nicht immer durch Gasionenbeschuss verursacht. Es gibt viele Röhrenanwendungen, bei denen "Standby"-Betrieb (Gerät in Wartestellung) zum Leistungsumfang gehört. Damit sofort Elektronenemission verfügbar ist, stehen die Heizfäden dieser Röhren dauerhaft unter Spannung, während Anoden- und Schirmgitterspannung abgeschaltet sind oder, wie in vielen Fällen, eine negative Sperrspannung, ausreichend hoch zur Unterdückung des Anodenstroms, an das Steuergitter gelegt wird. Viele Röhren verlieren ihre Katodenemission, wenn sie längere Zeit unter diesen Bedingungen betrieben werden. Diese Erscheinung wurde "Schlafkrankheit" genannt, eine grobe Analogie zum Schwund der Körpermuskulatur oder Organe nach langen Ruhephasen oder Bewegungsmangel.

Schon seit langem gibt es eine wachsende Nachfrage nach einer Röhre mit den dynamischen Eigen­schaften der 6L6, aber von einer überlegenen, modernen Konstruktion, die mit den auf eine Hoch­leistungs-Audioendröhre zukommenden Problemen besser fertig wird. Nach umfangreichem Experi­mentieren haben die Entwicklungsingenieure und Konstrukteure von Tung-Sol einen Prototypen ent­wickelt, der viele Eigenschaften zur Qualifikation als erfolgreicher Kandidat verkörpert. Es ist der ex­perimentelle Typ DT281 (die von der RTMA registrierte kommerzielle Bezeichnung ist 5881) mit eini­gen interessanten, sicher die Neugier des Lesers weckenden, Eigenschaften.

Die Röhre ist zur Gewährleistung mechanischer Robustheit kurz und stämmig aufgebaut. Durch kürzere aktive Elektroden wird deren Ausrichtung viel leichter aufrechterhalten. Dies ist besonders wichtig bei Bündeltetroden, wo die Elektrodenanordung zusätzlich eine Strahlbündelung bewirken muss, um die hochdichte Elektronenwolke im Raum zwischen Schirmgitter und Anode zu erzeugen, wodurch Sekundäremission aus der Anode unterdrückt wird. Die Elektroden sind sorgfätig in pfeil­spitzenförmigen Öffnungen der oberen und unteren Glimmerscheibe gesichert, welche an drei Ecken mit Glimmer-Seitenpuffern versehen sind. Auf diese Weise umfasst die innere Kolbenwand exakt die Halterung des "Aufbaus" (Röhrenjargon für das montierte Elektrodensystem). Die Elektrodenan­schlussdrähte werden durch eine kreisförmige Glasscheibe - Pressteller genannt - geführt, während bei der 6L6G-GA stattdessen der flache, vertikale Quetschfuss benutzt wurde. Die radiale Anordnung mit grosszügigem Drahtabstand durch den Pressteller ist eine Absicherung gegen Überschläge infolge von Elektrolyse im Glas. Ausserdem nimmt man an, dass sich die Röhre so als weniger emp­fänglich für parasitäre Schwingungen erweisen wird.

Besondere Vorsichtsmassnahmen werden in Hinsicht auf Gas getroffen. Die Röhre wird natürlich sorgfältig "gebacken", auf geschickte Weise durch Elektronen beschossen und gründlich ausge­pumpt. Die massive Anode aus karbonisiertem Nickel ist dreimal dicker als üblicherweise verwendet. Sie erhält einen Überzug aus Zirkonium, das bei der Bindung (Adsorption) des während der Röhren­lebensdauer entstehenden Gases hilfreich mitwirkt. Umherschweifende Gasmoleküle, die mit der Zirkonium-Oberfläche in Kontakt kommen, bleiben am Metall kleben und werden dadurch am Eintritt in den aktiven Bereich zwischen den Elektroden gehindert, wo sie die thermionische Funktion des Systems stören. Als chemisches Mittel zur Beseitigung der Restgase nach dem Abpumpen, sowie zur fortwährenden Bindung von in der Röhre freigesetzen Gasmolekülen, wird ein Getter aus reinem Barium verwendet. Momentan stehen drei Getterfahnen zur Verfügung.

Zur Beseitigung der Gitteremission werden die Gitterelektroden auf eine spezielle Weise behandelt. Die für eine Katode so wesentliche thermionische Emission kann gefährlich und zerstörend sein, wenn sie von anderen Elektroden in einer Röhre ausgeht. Alle Metalle geben thermionische Elektro­nen ab, wenn sie nur heiss genug werden. Die freien Elektronen in einem Metall, die es leitfähig machen und zu vielen seiner metallischen Eigenschaften beitragen, befinden sich in einem angereg­ten Zustand fortwährender Bewegung. An der Grenzfläche des Metalls wirken elektrische Kräfte, die darauf abzielen Elektronen innerhalb des Metalls festzuhalten, so dass sie am Austritt aus der Metalloberfläche gehindert werden. Durch Hitzeeinwirkung auf das Metall werden die Elektronen zunehmend angeregt und können ausreichend Schwung entwickeln, dass sie, trotz der sie im Innern festhaltenden Oberflächenkraft, in der Lage sind das Metall zu verlassen. Diese Oberflächenkraft ist bei verschiedenen Metallen unterschiedlich gross, niedrig für einige und hoch für andere. Je geringer diese Kraft ist, desto besser ist das Metall für die Verwendung als Katodenmaterial zur Freisetzung thermionischer Elektronen geeignet. Wenn dünne Lagen unterschiedlicher Metalle in einer speziellen Weise übereinander geschichtet werden, verringern sich die Oberflächenkräfte noch mehr. Mit den nun vorrangig benutzten oxidbeschichteten Katoden steht eine derartige Anordung mit verhältnis­mässig wirksamer Elektronenemission zur Verfügung.

Notwendigerweise befindet sich das Steuergitter nahe bei der Katode. Der Abstand zwischen der Katodenoberfläche und den Gitterdrähten ist nie grösser als ein paar tausendstel Zoll (einige hun­dertstel Millimeter, 1/1000" = 0,0254 mm). Folglich ist es für verdampftes Katodenmaterial sehr leicht auf den Gitterdrähten zu kondensieren. Dies kann beim Herstellungsprozess oder später während der Lebensdauer der Röhre passieren. Die empfindlichen Katodenmaterialien können auf den Gitter­drähten Beläge bilden, die eine ziemlich wirksame Quelle thermionischer Elektronen darstellen. Die Nähe des Gitters zur Katode macht es noch in einem anderen Zusammenhang verletzlich. In den Ka­toden von Leistungröhren ensteht eine erhebliche Wärmeenergie, deren Auswirkung natürlich auch die Gittertemperatur erhöht. Wegen der Temperatur, die das Gitter annehmen kann, verbunden mit der Wahrscheinlichkeit einer Verunreinigung der Gitteroberfläche durch Katodenmaterial, ist es leicht einzusehen, warum Gitteremission eine verbreitete Erscheinung ist. Natürlich ist der Emissionsstrom, bei einer Grössenordnung von wenigen Mikroampère, winzig im Vergleich zu den Milliampère oder so­gar Ampère, die von der Katode ausgesandt werden. Wo sich im Gitterkreis jedoch ein relativ hoher Widerstand befindet, reicht dies aus, um eine Menge Ärger zu bereiten.

Bei der 5881 wurde der Gitteremission durch Verwendung von vergoldeten Gitterdrähten ein ernst­hafter Schlag erteilt. Katodenmaterialien können vergoldete Gitterdrähte nicht nennenswert verun­reinigen. Daher ist die Möglichkeit von Gitteremission stark eingeschränkt, wenn die Gitteroberfläche aus Gold ist. Ausserdem ist Gold selbst kein wirksamer Elektronenemitter. Natürlich gilt auch hier die bei Leistungsröhren übliche Praxis, überschüssige Wärme vom Gitter durch Seitenstreben aus Kupfer hin zu Kühlblechen an den Enden ("Schwarze Strahler") abzuleiten.

Das weiter von der Katode entfernte Schirmgitter ist nicht so verletzlich, wie das erste Gitter. Trotz­dem ist es gegen die gleiche Krankheit keinesfalls immun. Da es Strom aufnimmt, betreibt es im Ge­gensatz zum Steuergitter, das durch andere Röhrenelektroden erhitzt wird, seine eigene Erwär­mung. Oft können geringe Emissionsströme toleriert werden, doch gibt es immer eine Grenze. Bei der 5881 ist das Schirmgitter mit einer speziellen kohlenstoffhaltigen Masse überzogen, die ziemlich po­rös und, natürlich, sehr schwarz ist. Wie jeder Physikstudent weiss, verbessert solch eine Farbe die Wärmeabstrahlung, wodurch das Schirmgitter im Betrieb kühler bleibt. Die Porosität des Kohlen­stoffüberzugs erweist sich als nützlich, wenn die Röhre unter Bedingungen betrieben wird, bei denen die Emission von Sekundärelektronen aus dieser Elektrode schädlich sein kann. Es wird angenom­men, dass sich die Sekundärelektronen in dem porösen Labyrinth verfangen. Auch ist die Porosität notwendig, um die Entgasung dieser Elektrode während des Herstellungsprozesses zu erleichtern.

Durch längere Standby-Perioden verursachter Katodenausfall (oder "Schlafkrankheit") wird durch Verwendung einer Katodenhülse aus elektrolytisch gewonnenem Nickel hoher Reinheit bekämpft. Es ist im allgemeinen schwieriger Katoden aus Hülsen dieses Typs herzustellen, doch umfangreiche Tests belegen eine viel grössere Stabilität als bei den üblicherweise in Elektronenröhren benutzten Katodenhülsen aus einer Nickellegierung.

Die 5881 verträgt Betriebswerte ähnlich der 6L6, ausser dass dem Schirmgitter eine Verlustleistung von 3,0 statt 2,5 Watt erlaubt ist, während die maximale Anodenverlustleistung 23 statt 19 Watt für die 6L6 beträgt. Die Röhre besitzt einen verlustarmen Micanol-Sockel. Vorläufige Tests zeigen Ergeb­nisse, die diesem Typ eine erfolgreiche Zukunft vorhersagen.

(Quelle: Radio & Television News, Ausgabe September 1950.
 Deutsche Übersetzung: Copyright © 2002  Franz Hamberger, Berlin, Germany)

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